Ja, die Begegnung mit Lyrik kann riesengroßen Spaß machen! Besonders dann, wenn sie als erhellende Begegnung mit Sprache und Reimen überhaupt nicht sperrig daherkommt, sondern voller Lebenslust und Lebensklugheit wie in dieser wunderbaren Anthologie in Form zweier Büchlein mit Gedichten für Kinder und Jugendliche, eigentlich aber für alle, denen das mal blödelnde, mal tiefsinnige akrobatische Spiel mit Sprache, wie wir es etwa von Morgenstern, Ringelnatz, Tucholsky oder Guggenmoos kennen, einfach immer wieder unbändige Freude bereitet.
Nils Mohl, ein mit zahlreichen Preisen bedachter Schriftsteller und Drehbuchautor, veröffentlichte erste Texte schon in der Schülerzeitung, wozu seine Mitschülerin Katharina Greve, inzwischen ebenfalls preisgekrönte Comiczeichnerin, auch damals schon die Illustrationen beisteuerte. Wie schön, dass die Beiden noch immer zusammenarbeiten.
Das gelbe Bändchen mit dem Titel „König der Kinder“ lädt in konsequenter Kleinschreibung unter anderem zum Nachsinnen darüber ein, was „zirpen grillen“ (Fleischspieße oder Vegetarisches?) und was sie danach tun (natürlich Chillen und den Grillen beim Zirpen zuhören!), beschreibt Abenteuerliches beim Reifenwechsel auf der Autobahn und popcornspeiende Vulkanausbrüche , dokumentiert erste Sprechversuche eines Ferkels, lässt überlegen, was ein nimmersatter Klops in der Lunchbox verstaut, lässt Blische fubbern, Pechte spochen, Ramster hadeln oder Bröwen lüllen, führt uns alles-auf-„oben“-reimend in ein Theater, wo sich ein Rudel Pudel mit fantastischen Roben auf der Bühne zum Proben und auf einen Kater trifft, lehrt uns, was ein durchs Unterschrümm grabunkelnder Golbert oder ein Donnerling ist oder was flatterfreitags zu tun ist und dass Opa, der Märchenriese und König der Kinder einer ist, der aus Kissen Traumpaläste baut, gibt Tipps für Spatzenhirnige, die Angst vorm Blödeln haben und ein Statement zur Besserwisser-Sprache, und schlussendlich einen Beweis dafür, dass ein Märchen auch nur mal aus vier Worten (nämlich Frosch, Kuss, Prinz und Schluss) bestehen kann.
Für die Größeren gibt es das grüne Bändchen, die „Tänze der Untertanen“. Darin unter anderem ein astreiner Spruch für Transparente, höhenrauschartige Traumfliegerei, ein nihilistisches Gedicht mit vielen Nö´s und Ö´s, Knickidiknack als Füllwort für Liebe ( „zig knickidiknacker hats schon dahingerafft dies gemütsphänomen elementarster kraft …“), exquisite Expertisen („exkinder sind erwachsen, exfahrer nutzen taxen, exhosen sitzen enger, exkurse dauern länger …“), ein poetisches Nordseerauschen, in dem „alles einfach Insel“ ist, Dünen vor sich hinhügeln, man ummöwt meernah strandet oder unterm Leuchtturm mondbetuschtes Land, Meeresbrisen, salzige Wiesen und aufgeheizter Sand zu einem olfaktorisch vorstellbaren Erlebnis werden. Wunderbar und bildhaft im wahrsten Wortsinn (mit einer Illustation der auf die materiellen Folgen von Seekrankheit lauernden Fische) auch ein nautisches Seegedicht, ein Zungenbrecher über Kahlkopf Karl, ein pornografisches Haiku, das allein auf die Vorstellungskraft des/der Lesenden setzt, eine grafisch so simpel wie genial umgesetzte Auskunft über das Gelände, die Tänze der Untertanen, die den Grobianen den Mittelfinger zeigen, uns Königskinder und Kopftitanen werden lässt und poetische Anstösse über Wahrheiten, Gewissheiten, Hörensagen, Glaubensfragen, Hoffnungen und Wünsche vermittelt.
König der Kinder/Tänze der Untertanen
Nils Mohl und Katharina Greve, mixtvision Verlag, 2020