Archiv für den Monat August 2016

Giesbert in der Regentonne

Text und Illustrationen: Daniela Drescher

Verlag: Urachhaus

Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus, 2016

 

Giesbert ist ein ausgesprochen liebenswerter Regenrinnenwicht, der eines Tages bei Starkregen in die Regentonne gespült wurde und sich seither dort häuslich niedergelassen hat und dessen Lieblingsspeise Schnittlauchbrot ist. Leidenschaftlich frönt Giesbert dem Flötenspiel und der Dichtkunst und beeindruckt damit die zahlreichen Mitbewohner seines Biotops, des Gartens der Ich-Erzählerin, hinter der die Autorin, die mit Zurückhaltung im Hintergrund der Handlung bleibt, zu vermuten ist.

Nach anfänglicher Skepsis gewinnt Giesbert sogar die Zuneigung des brummigen alten Katers Munz, nachdem er diesen mit vollem Körpereinsatz aus der Regentonne, in die der Kater -nicht ganz ohne Giesberts Schuld- zuvor hineingeplumpst war, gezogen und ihm damit das Leben gerettet hat. Doch dem lebenslustigen, stets zu Scherzen aufgelegten und stets hilfsbereiten Wicht kann man nicht lange böse sein. Auch die anderen Gartenbewohner und -besucher wie Rotkehlchen, Waschbär, Schnecken, Mäuse, Igel, Laufente, Bienen, Frösche, Eichhörnchen und Schmetterlinge können gar nicht anders, als den freundlichen Giesbert in ihr Herz zu schließen (Dem Leser geht es wohl ebenso …).

Gemeinsam mit ihnen erlebt Giesbert im Lauf der verschiedenen Jahreszeiten spannende Garten- und Hausabenteuer. Dabei begegnet er auch noch weiteren liebenswert-kauzigen Gestalten wie Holundergeist, Kraut-, Knoblauch-, Kürbis- und Klettenwicht sowie dem mürrischen Hauswicht Herrn Schnur, die Giesberts Treiben mehr oder weniger distanziert betrachten, kommentieren oder helfend ins Geschehen eingreifen. Giesbert veranstaltet ein Schneckenrennen, verliebt sich in die Elfe Gisela und schließt Freundschaft mit der Goldfischdame Molly. Den kalten Winter verbringt Giesbert schaumbegeistert in der Badewanne des Hauses und sorgt damit für einiges Durcheinander.

Es ist eine wohltuende Freude – für Vorleser wie Leser und Betrachter- , Giesberts Abenteuern in Wort und Bild zu folgen. Zuweilen irritiert ein wenig die nicht ganz eindeutige Erzählperspektive, doch tut das dem Lesegenuss, der sich vor allem aus den warmherzig erzählten, wie aus der Zeit gefallenen kurzen Geschichten und detailreichen, liebevoll und farbenfroh gezeichneten Bildern speist, keinen Abbruch. Vielmehr sind die Geschichten um Giesbert und seine Freunde wie Balsam für die Seele in einer zuweilen verstörenden Welt.

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de

 

 

Was macht das Blättertier denn hier

Ideen und Fotografien: Eva Häberle

Text: Thomas Gsella

Verlag: Knesebeck, 2016

 

Einem eher unerfreulichen Zufall sind die daraus erwachsenen umso erfreulicheren Ideen der Fotojournalistin Eva Häberle, phantasievolle Tierbilder aus Naturmaterialien zu kreieren, zu verdanken. Weil sie zu einem vereinbarten Treffen an einem englischen Bahnhof versehentlich nicht abgeholt wurde, begann sie aus Langeweile am Bahnsteig Formen aus Blättern zu legen, wobei ihr erstes Tierbild, eine Eule, entstand, von der sie wohl dermaßen inspiriert gewesen sein muss, um dieser zahlreiche weitere Tierporträts folgen zu lassen. Vielleicht war sie derjenigen Eule im Buch auf der Seite 100 ähnlich oder gar dieselbe. Zwei große Eulenaugen aus leuchtend gelben Herbstblumen, dazu ein umgedrehtes Blatt als Schnabel, zwei kleinere Blätter  die Ohren bildend und viele weitere das Federkleid – das ist unverkennbar eine Eule, die Platz auf einem Zweiglein genommen hat und mich nun erwartungsvoll mit Blumenaugen anblickt, die mich gleich dem das Eulenbildnis begleitende Gedicht sonderbar benommen zu machen scheinen.

Auf dem Titelbild ist ein -ebenfalls überwiegend aus Blättern arrangiertes- Chamäleon zu sehen, dessen Auge die Kappe einer Eichel bildet. Zunge, Schwanz und Beine formen Teile von Farnen – genial einfach, aber darauf muss man erstmal kommen!

Fünfzig erstaunliche Tierbildcollagen dieser Art, denen sich -quasi wie auf den Leib geschrieben- ebensoviele wunderbar wortwitzige und freche Gedichte von Thomas Gsella, dem ehemaligen Chefredakteur der Satirezeitschrift Titanic, zugesellen, sind in dem quadratischen, kleinen, feinen Büchlein zu bewundern. Unter ihnen die beeindruckende Mangold-Mücke, welche sich als ungebetener Gast und Mit-Esser auf einem Grillfest hocherfreut über viele nackte Arme, Beine, Bäuche und prallgefüllte Venenschläuche zeigt -wie köstlich! Oder das an Kitschpotential kaum zu übertreffende Arrangement aus zu einem Katzenbildnis (unglaublich gelungen dabei die Mimik der mürrischen Katze) drapierter vollaufgeblühter rosa Pfingstrosen, gebettet auf bordeauxfarbenen samtigen Stoff – wie herrlich! Wunderbar auch die ins Bild und den Text geflossene Wehmut der „Tee“-trinkenden Fischer im Gedenken an ihr einst wegen trunkener Unachtsamkeit gesunkenen Bootes, welches nun als (Pilz-)Wrack am Meeresboden liegend zum Hort von (Hirtentäschel-)Korallen wird, mittels zweier dasjenige umschwimmenden (Frühlingszwiebel-)Tintenfischen stimmungsvoll in Szene gesetzt – wie poetisch!

Genial auch der hochmütige Pusteblumen-Pudel nebst tiefgründigem Begleittext, das Wortspiel um den Blätter-Schmetterlings- Generationenkonflikt, der (nicht ganz jugendfreie) Rinden-Fuchs, der Orang-Utan aus Kiefernadeln, der Chrysanthemen-Chicoree-Kakadu und, und, und … beinahe unmöglich, hier Favoriten zu finden.

Die ideenreichen Bilder und Texte bilden eine sich gegenseitig verstärkende Einheit, aus der fünfzigfacher Genuss für Geist und Auge erwächst.

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de

1,2,3,4 Lieblingstier

Autor: Sabine Lohf

Verlag: Gerstenberg, 2016

 

Etwas mehr als ein halbes Kilogramm bringt das neue Pappbilderbuch von Sabine Lohf auf die Waage – und das ist kein Gramm zu viel (Eigentlich schade, dass unser Alphabet nur 26 Buchstaben hat …)!

Freundlich begrüßt uns ein Papp-Elefant mit Papprollen-Rüssel, Wellpappe-Ohren und gelben Knopf-Augen vor leuchtend rotem Hintergrund auf dem Titelbild von „1,2,3,4 Lieblingstier“. Von A wie Affe bis Z wie Zebra präsentiert jede Doppelseite ein aus verschiedenen Materialien gebasteltes Tier mit Lieblingstier-Potenzial nebst in Form von jeweils vier mit Texterklärungen versehenen Schaubildern gut nachvollziehbarer Bastelanleitung.

Aus Pappe, bunten Papieren oder Zeitungspapier, Stoffresten, Knete, Wolle, Weinkorken oder Fundstücken aus der Natur wie Zweigen, Gräsern, Kastanien, Steinen, Maiskolben oder Federn und anderem mehr zaubert Sabine Lohf mit Ideenreichtum in ihrem ganz eigenen charmanten Stil, der uns immer wieder begeistert, 26 Lieblingstiere wie zum Beispiel ein Chamäleon aus Knete, einen Dinosaurier aus Maiskolben, eine Fledermaus aus Filz, eine Libelle aus Weinkorken oder einen Uhu mit einem Federkleid aus Gräsern -eines liebenswerter als das andere!-, deren Betrachtung schon allein eine Freude ist und große Lust aufkommen lässt, selbst zu Schere, Cutter und Kleber zu greifen, um sich eine persönliche Lieblingstier-Parade zu basteln. Selbst Tiere wie Spinnen oder Würmer, die im Allgemeinen vermutlich eher nicht zu den Lieblingstier-Favoriten zählen, kommen hier so sympathisch daher, dass sie augenblicklich unser Herz zu erobern vermögen.

Ein Lieblingstier-Buch mit Lieblingsbuch-Potenzial!

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de

Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen

Autor: Tim Parks

Übersetzung aus dem Englischen: Ulrike Becker und Ruth Keen

Verlag: Antje Kunstmann Verlag, 2016

 

Worüber wir -Leser, Autoren, Kritiker wie Juroren- sprechen, wenn wir über Bücher sprechen, beleuchtet Tim Parks, der in Manchester geborene, in London aufgewachsene und  in Italien lebende, wegen seiner  Romane und erzählenden Sachbücher hochgelobte Autor, Kritiker und Übersetzer umfassend  und äußerst unterhaltend von allen nur erdenklichen Seiten, indem er vor allem zahlreiche Fragen aufwirft – Fragen, mit denen buchaffine Menschen tagtäglich mehr oder weniger konfrontiert werden und die nicht in jedem Falle einfach oder eindeutig zu beantworten sind wie beispielsweise solche, ob jedes angefangene Buch zuende gelesen werden sollte, was literarischen Stil auszeichnet und wie sich dieser bildet oder was es ist, das das individuelle Lesen prägt.

Die  klare und auffällige, farblich jedoch gleichzeitig zurückhaltende Covergestaltung, bei der die einzelnen Buchblöcke eines Bücherstapels den Rahmen für den Titeltext liefern, führt  ansprechend und zielgerichtet ins Buchthema. Die graphische Gestaltung des Vorsatzpapiers -hunderte schräg nach einer Seite ausgerichtete kleine Bleistiftstummel, unter denen ein einziger sowohl farblich als auch richtungsmäßig aus der Reihe tanzt- verrät bei genauerem Hinschauen die subtile Ironie, welche sich auch im Text wiederfindet.

Es ist ein beinahe perpetuum-mobile-artiges Buch über Bücher, es sind Gedanken über das Lesen und das Schreiben, über diejenigen, die den Stoff liefern, den die andere Seite konsumiert und über diejenigen, die wiederum darüber schreiben. Was treibt die eine wie die andere Seite an beim Schreiben wie beim Lesen? Lässt sich vorhersehen, ob ein Buch zum Erfolg führt und was definiert diesen? Brauchen wir Geschichten wirklich? Was passiert beim Übersetzen eines Buches? Ist es danach noch das gleiche Buch?

Mit zahlreichen Beispielen aus der gegenwärtigen Literatur illustriert und untermauert Tim Parks seine Überlegungen und Thesen und stellt damit so manche Widersprüchlichkeiten bloß. Der zuweilen provokante und sarkastische Unterton des Autors, den er anschlägt, wenn es um das Verfassen von Rezensionen, die Literaturforschung und den Literaturbetrieb im Allgemeinen und im Besonderen geht, ist nicht zu überhören und gibt seinen Ausführungen und Gedankenspielen die entsprechende Würze, die das Lesen zum überaus lesenswerten, unterhaltsamen Genuss macht.

Auf der letzten Seite angekommen möchte man sofort wieder von vorn beginnen- mit dem Lesen und mit dem Über-Bücher-Sprechen!

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de

 

Der Reise-Regen-Rücksitz-Koffer

Autorin: Nicola Berger

Illustration/Grafik: Johanna Fritz

Verlag: moses.Verlag, 2016

 

Während sich in einigen Bundesländern die Sommerferien schon dem Ende zuneigen, hat die schöne Ferienzeit für uns in Bayern gerade erst angefangen. Alljährlich beginnen wir e im Geisenhausener Malkastl diese Zeit auf kreative Weise mit unserem zweiwöchigen Malkastl-Sommerferienprogramm, bei dem -ganz gleich ob Bade- oder Regenwetter- in unserem Kinderatelier fleißig und mit großem Spaß gewerkelt, gedruckt, geschrieben und gemalt wird. Langeweile kommt dabei jedenfalls so gut wie nie auf.

Ganz anders kann das sein, wenn es dann nach dem Ferienprogramm mit der Familie auf Reisen geht. Trotz der Vorfreude auf spannende Ferienerlebnisse ist der Weg zu diesem Ziel vor allem für die Kinder doch oft von zäh sich dahinziehenden, mehr oder weniger langweiligen bis gar nervtötenden Stunden auf der Auto-Rücksitzbank geprägt – eine wahre Geduldsprobe für Eltern und Kinder!

Wie gut, dass es für solche Fälle Notfallausrüstungen wie den Reise-Regen-Rücksitz-Koffer gibt. Der kleine fröhlich-bunt-bebilderte und mit Spielmaterial gefüllte Metallkoffer (er misst 18,6×13,6×5 cm und beinhaltet 50 Spielkarten, 4 Sonnenbrillen, 4 Wachsmalstifte und einen Magneten) enthält allerlei kurzweilige Dinge wie Suchbilder, Rätsel, Malanregungen und Spielideen, die die Reisezeit würzen und verkürzen helfen. Die fünfzig beidseitig bedruckten und ansprechend illustrierten Bildkarten bringen von endlosen Autostaus zermürbte Rückbank-Sitzer auf viele tolle Spielideen, die thematisch überwiegend für Urlaubsreisen zugeschnitten sind und bestimmt für jeden Geschmack und unterschiedliche Altersklassen etwas bereithalten. So können in Labyrinthen Wege erkundet, ein Deutschland-Quiz oder Liederrätsel gelöst, Sonnenbrillen designt, Agenten-Missionen erfüllt oder Auto-Bingos und vieles mehr gespielt werden oder mit den beiliegenden Stiften Bilder ausgemalt werden.

Praktisch ist, dass die jeweils aktuell bespielten Bildkarten mit einem Magneten auf der Rückseite des Kofferdeckels befestigt werden können.

Mit einer solchen unterhaltsamen Reiseausstattung wird die Zeit bestimmt wie im Fluge vergehen! Und wenn dann das Ziel aller Träume erreicht ist, lässt sich der Koffer natürlich weiterhin ebenso am Strand oder im Zimmer bei Regenwetter nutzen.

Das Urteil unserer Ferienkinder zum Reise-Regen-Rücksitz-Koffer lautet deshalb: sehr gut!

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de

 

Mal mir einen Stern

Text und Illustration: Eric Carle

Verlag: Gerstenberg, 2016

 

Handschriftlich wendet sich der Autor Eric Carle, Schöpfer der Raupe Nimmersatt, am Ende des kleinen Bilderbüchleins an die Leser, die er warmherzig seine Freunde nennt. Eine sympathische Geste, die ebenso gut am Buchanfang vorstellbar wäre.

Eric Carle erzählt in diesen Zeilen davon, dass ihm seine Oma, als er selbst noch ein kleiner Junge war, unter Zuhilfenahme von Reimen nach einem festgelegten Schema das einfache Zeichnen von Sternen beibrachte. Und als er kürzlich im Urlaub von einem Sternschnuppenregen träumte, aus dem ihn ein besonders heller Stern traf, ihn emporhob und über den Nachthimmel schweben ließ, wurden wohl die Sterne der Kindheit wieder sehr lebendig und gaben den Anstoß für den Anfang dieses Buches und zugleich für dessen Ende. Was dazwischen liegt, hätte sich nach den Worten des Autors ganz wie von selbst entwickelt.

Und so liegen zwischen Anfang und Ende wie selbstverständlich und von Künstlerhand gemalt Sonne, Baum, Frau und Mann als Paar, Haus, Hund, Vogel, Schmetterling, Katze, bunte Blumen, regenschwere Wolken, Regenbogen, die dunkle Nacht und der Mond als Symbolik von Licht und Schatten, Werden und Vergehen, Leichtigkeit und Schwere – eine  wunderbar bebilderte unendliche Schöpfungsgeschichte vom ewigen Kreilauf der Dinge und des Lebens, die auch schon die jüngeren Kinder intuiitiv verstehen können.

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de

Fantastic Cities

Illustration: Steve McDonald

Verlag: Knesebeck, 2016

 

Ansichten realer Städte aus der ganzen Welt wie London, Paris, Amsterdam, Tokio, New York, San Francisco und vieler weiterer mehr sind Thema dieses besonderen Ausmalbuches des kanadischen Künstlers Steve McDonald. Selbst aus Deutschland sind Ansichten von Bremen, Wasserburg am Inn und Donauwörth vertreten.

So wie der Künstler selbst umfassend die Welt bereiste, lässt er die Ausmalenden nun an seinen Reisen und seinem besonderen Blick auf die Architektur teilhaben. Viele der Bilder sind aus seinen eigenen Zeichnungen und Fotografien hervorgegangen, einige wurden von Fotografien anderer Künstler inspiriert. Mal zeigen die Tuschezeichnungen Häuserfassaden aus der Nähe, mal Städtepanoramen aus der Vogelperspektive. Einige architektonische Details ordnen sich zu eindrucksvollen Mandalas.

Es braucht zweifellos viel Geduld und Zeit, die insgesamt 59 Ansichten mit Farbstiften oder feinen Pinseln zu bearbeiten und sich auf diese Weise zu erschließen, so dass auch der meditative und entspannende Aspekt des Ausmalens zu einer abenteuerlichen Weltreise, die den Blick auf interessante architektonische Details und Perspektiven zu schulen vermag, werden kann.

Hanna Nebe-Rector, http://www.MALKASTL.de